: Rekonvaleszenten-Ball
Gekonnt deckt der VfL Wolfsburg während des 1:0-Auswärtserfolgs beim HSV dessen Schwächen auf. Mit geschickter Deckungsarbeit enttarnten die Niedersachsen Hamburgs mangelnde Sturmphantasie und entdecken in Spielern aus der zweiten Reihe verlässliche Größen
aus Hamburg von OKE GÖTTLICH
Die Fans des HSV hatten sich für das einjährige Jubiläum von Trainer Thomas Doll und den möglichen Sprung an die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga mächtig rausgeputzt. Mit einer riesigen Choreographie über die gesamte Kurve erschien irgendwann eine Weltkarte, besetzt mit HSV-Logos. „Größenwahn? Nein, jetzt fängt der Spaß erst richtig an“ stand dort geschrieben und man ahnte, wie erfolgsverhungert die HSV-Fans wohl noch bis vor kurzem gewesen sein mögen.
Leider hielten sich ihre Spieler auf dem Feld, als ob sie das Fragezeichen überlesen hätten. Kapitän Daniel van Buyten agierte wie einer der als Bedingung für ein Interview gleich auf das Titelblatt will und seine Mitspieler taten es ihm fußballerisch weitgehend gleich. Von der Originalität, Spritzigkeit und Unberechenbarkeit des 19-mal in Folge ungeschlagenen Teams blieb wenig übrig, als die Wolfsburger ihre Strategie entfalteten.
Es wird geteilte Meinungen darüber geben, ob der erste Tritt nach 37 Sekunden von Pablo Thiam gegen Rafael van der Vaart beabsichtigt oder gar Teil einer taktischen Marschroute gewesen sein könnte, geholfen hat es in jedem Fall. Mit robustester Defensive überließen die Wolfsburger dem HSV kaum Platz. Allen voran Pablo Thiam, der nach einer längeren Verletzungspause wieder ins Spiel kam. „Du bleibst 90 Minuten auf dem Platz. Egal wie“, lautete eine Unterredung die Thiam zuvor mit seinem Trainer Holger Fach hatte. Und in der tat es lohnte sich. Er konnte der ebenfalls neu zusammengestellten Innenverteidigung um Quiroga und Maik Franz Stabilität verleihen und dirigierte ebenfalls die Positionswechsel zwischen Alex und Hans Sarpei auf der rechten Seite geschickt, um die Angriffe des HSV abzuwehren.
So legten die Wolfsburger die akuten Probleme des HSV im Angriff frei. Bis auf eine Chance von Benjamin Lauth gab es in der ersten Hälfte keine Tormöglichkeit. Die Wolfsburger hingegen nutzten in der 19. Minute die Unordnung, die nach dem Lattenkracher von Quiroga entstand und kamen durch Diego Klimowicz zum entscheidenden 1:0. In diesem Rahmen verlief das Spiel weiter. Bis Thomas Doll genug von seinem Sturm hatte. Er schickte Daniel van Buyten mit in die zentrale Angriffsposition und ließ mit ihm sowie Takahara, Mpenza, Barbarez und van der Vaart teilweise fünf Leute in einer Kette auf das Wolfsburger Tor zubewegen.
Doch Maik Franz und seine Kollegen blieben standhaft. „Ich wusste, dass ich heute meine Chance hatte. Die wollte ich nutzen, um zu zeigen, dass man auf mich zählen kann“, sagte Franz. „Es war ein Bewerbungsspiel.“ In der Tat lieferte der Reservespieler eine beachtliche Leistung ab. Dass es bei einem Bewerbungsspiel bleibt, liegt auch an der dritten Halbzeit, die statt in der Kneipe gleich im Mittelkreis begann.
Dort rannte Rafael van der Vaart auf die beiden Streithähne Khalid Boulahrouz und Bojan Neziri, der auf der linken Wolfsburger Seite eine gute Partie machte, zu und stieß Neziri dabei in den Rücken. Als Wolfsburgs Trainer Holger Fach daraufhin zu van der Vaart ging stieß dieser ihn zurück. Dies veranlasste Maik Franz dazu, sich einzumischen. Dafür bekam er und Rafael van der Vaart die rote Karte.
Erstmals fand in Hamburg eine neue Regel Anwendung, wonach der Referee nach Ende einer Begegnung bis zum Verlassen des Rasens Vorkommnisse mit Platzverweisen ahnden kann, anstatt sie lediglich im Spielbericht zu vermerken. Inmitten des unübersichtlichen Rudels, das der niederländische Nationalspieler ausgelöst hatte, ließen auch HSV- Kapitän Daniel van Buyten und Guy Demel ihren Ärger am Gegner aus. Sie könnten im Nachhinein belangt werden. „Ich kann nur das bewerten, was ich gesehen habe“, betonte Stark. Er verwies auf das DFB-Sportgericht, das sich die TV-Bilder ganz genau ansehen werde.